Small Inner Spaces VII
Audioscoring/Redoing (Phil Minton)


Small Inner Spaces VII Audioscoring/Redoing Phil Minton                                                Foto©CorneliaCottiati
Galerie 26 Chaises, 47–49 Rue Polonceau, Paris, 18. Mai 2023

I Intro [00]
II Sinus [8]
III Membran/Kazoo [9]
IV Atmung/close mik/Kazoo [12]
V palatal/ch [16]
VI Audioscore/Phil Minton [17]
VII Autro [24]

Material:
Kazoo plugged
Verstärker
MP3Player in Jackentasche
Audioscore Phil Minton: A Doghnut In One Hand
Dough Song 2, 3, 5, 7, 10, 11
Drainage Mr Wilkins
Dauer: 26`

Audioscoring wurde als praxisorientierte Forschungsmethode zur Analyse von extended vocal technics entwickelt. Im Rahmen meiner Dissertation Audioscoring & leere Stimmen: praxisorientierte Stimmforschung zu lettristischen und ultra-lettristischen Stimmexperimenten wurden Stimmaufnahmen der Ultra-Lettristen untersucht, die direkt mit Mikrophon auf Tonband aufgezeichnet worden sind. Graphische Notationen oder Verschriftlichungen ausgehend vom phoetischen Alphabeth gibt es für die der ultralettirstischen Stücke nicht. Die durch und durch sprachentfremdeten ultra-lettristischen Artikulationen entzeihen sich auch der Verschriftlichung. Abgesehen davon, dass die Notation durch die Aufzeichnung hinfällig wurde, wurde auch nicht von einer erneuten Interpretation oder Wiederaufführung ausgegangen. Im Gegenteil, diese wurde unterbunden. Was bleibt sind die Aufnahmen, die Artikulationen werden nie je wieder ausgeführt. Wozu auch? Mit dem Tonband sind die (vorerst) einmaligen Ereignisse in geradezu unheimlicher Detailtreue wieder und wieder abrufbar, die Einmaligkeit wird unendlich wiederholbar.
Small Inner Spaces VII stand im Zeichen von Covid. Die online Präsentationen der Covid-Jahren waren noch allgegenwärtig. In bester Erinnerung als Mangel-Ereignisse, die brüchigen weil schlecht synchronisierbaren Interaktionen, die fehlende Körperpräsenz, die Miniaturisierung und Verflachung durch die Präsentation am Bildschirm. Instabile Internetverbindungen, Zeitverschiebungen in der Übertragung, kleinste aber höchst irritierende Delays waren an der Tagesordnung. Nach dem Ende der Pandemie hatte der geradezu virulente mediale Mangelcharakter dieser Onlinedarbietungen einen merkwürdig langen Nachhall. Schufen die Stimmen im Kopfhörer, die Artikulationen in unmittelbarer Nähe zum Ohr, die geteilten-ungeteilten Räume nicht einen eigenen medialen Zauber, aus dem man, sobald die ZOOM-Sitzungen vom Bildschirm verschwanden, wie benommen erwachte?
In Small Inner Spaces VII wird Audioscoring nicht als Methode der praxisorientierten Analyse historischer Stimmaufnahmen präsentiert, sondern findet zum ersten Mal eine Anwendung im Bereich zeitgenössischer, experimenteller Stimmen. Inspiriert von den Präsentationsformaten der Pandemie wird Audioscoring jenseits von Interpretation zu einer Option, partiturlose Werke zur Aufführung zu bringen. Aber, im Unterschied zum Reenactment, das im letzten Jahrzehnt grosse Beachtung gefunden hat, im Sinn eines Re-doing oder En-acting.
Meine Anfrage ging an Phil Minton (*1940), London, Vokalperformer und Pionier der Improvisierten Musik. Die Auswahl fiel auf die Stücke Dough Song und Drainage Mr Wilkins der LP A Doghnut In One Hand. Es handelt sich um die erste LP mit Stimmimprovisation in meiner Sammlung.

 

 

Small Inner Spaces VI
Animal Musical
2022/23

Christophe Berthet, ss
Cyrill Bondi, vibr
Raphael Ortis, voc
Rodolphe Loubatière, perc
Violetta Motta, flute
Dorothea Schürch concept, conducting
Dauer: 22:27

Animal musical verbindet mit Umweltgeräuschen, Atemgeräuschen und Geräuschen von Instrumente drei grundsätzlich verschieden konnotierte Materialien. Grundlage der Tonbandkomposition bildet ein field recording des Standortes von «Insub.polytopies» in Bernex (Genf). Darunter mischen sich die Atemgeräusche eines riesigen Tiers, das dort am Waldrand schläft und in dessen Atem sich etwas wie Musik entdecken lässt: Andeutungen von Tonhöhen, kaum wahrnehmbare Glissandi, feine Verzierungen des Atemstroms, Stille. Alles noch keine Musik und eben doch unverkennbar: Musik! Auf den Spuren der heute überkommenen, einst kategorisch verstandenen Verschiedenheit von Geräusch und Musik. Zu hören sind der Wald und das Feld und die Geräusche, die von der Strasse und vom Flughafen herkommen, und die ruhigen, manchmal musikalischen Atemzüge des animal musical.

 

 

Animal Musical (Bandcamp)

081 Log 230220
Saidiya Hartman
Critical Fabulation_different bodies

Saidiya Hartman (*1961), Amerikanische Literaturwissenschaftlerin
Zum Begriff «critical fabulation»:
“By playing with and rearranging the basic elements of the story, by re-presenting the sequence of events in divergent stories and from contested points of view, I have attempted to jeopardize the status of the event, to displace the received or authorized account, and to imagine what might have happened or might have been said or might have been done.”
(Hartman: «Venus in two Acts», in small axe 26, June 2008, p 1–14, p.11)
Saidiya Hartman: Venus in Two Acts_critical fabulation.pdf

«Historical archives are sites of violence, omitting or erasing the voices of the marginalized. To counter this archival silence, Saidiya Hartman (2008) has proposed critical fabulation as a method of retelling the past that »troubles the line between  history and imagination». Zit. n. Critical Fabulation: Re-narrating History Against the Archival Grain, Historikerinnen Netzwerk Schweiz.

Slavery, Critical Fabulation verbindet sich mit Monster­–Hauntings
und nicht mit den stummen Avantgardistinnen der 1960er

Critical Fabulation ←→ desirable past
Critical Fabulation am Firmament: don’t close the gap
„Her inclusion in «Venus» of the narratives omitted in Lose Your Mother, with the caveat that such narratives push beyond the boundaries of the archive, leads to the concept of narrative restraint, «the refusal to fill in the gaps and provide closure.»
(Hartmann 2008:12 / Wikipedia)

Kim de l‘Horizon
Blutbuche: channeling
different bodies
ob im Zug, der Verspätung hat
beim Interview im TV (mit Denis Schenk)
bei sich zuhause, das sind → different bodies.
Starhawk lernt zu channelen

  • (psycho)analytisch: Sprache = Bewusstsein vergl mit
  • channeling: Vertrauen statt Bewusstsein (?)

Impro = different body business
zu oft nach dem Konzert den Rückstoss nicht abfangen können
leer ausgegangen, destruktive Kräfte

 


MB am Tel
Schubert’s Winterreise (Mühlhouse), Hans Zender

statt Romantik/romantische Lieder Popsongs?
Sam Smith: Too Good at Goodbyes

 

080 Log 230217 Traum

C und ich sitzen auf der zweiten Stufe eines grossen schwarzen Gradins. Mutter und Vater eine Stufe vor uns. Eine indische Familie mit einem kleinen Buben setzt sich  und wir werden von Mutter und Vater weggedrängt. Ich rutsche mit dem kleinen Buben neben mir wieder zurück in die Nähe von Vater und Mutter. Das sieht die indische Familie nicht gerne gesehen. Aber wir gehören doch zu Vater und Mutter…, nützt nichts.

Auf der Veranda der Skihütte kann Tee gekocht werden. Oberhalb der Herberge eine Tribüne. Winter. Die Familie sitzt in der Tribüne. Ich weiss, wo der Tee gekocht wird. Doch die Kochstelle auf der Veranda ist abgebaut worden. Einzig eine Tasse  zu wärmen ist noch möglich. Ich suche eine Tasse. Zurück in der Ecke der Veranda, ist die Türe zugesperrt, nichts nicht einer Tasse Wasser wärmen. Ich klopfe. Verzweifelt. Es wird mir aufgemacht, ich trete ein. Im Halbdunkel versuche ich mich zurechtzufinden. Schläuche, Wasser hier, Wasser dort, ich weiss nicht, wie das gehen soll, schliesslich trete ich mit einer Tasse vor die Türe. Applaus von der Tribüne. Überrascht. Wird erwartet, dass ich was biete? Von der Veranda zur Tribüne Gülle. Ich rutsche auf den Knien durch die Scheisse, die Tasse hochhaltend. Der Tee ist für Grossmutter. Sie möchte trinken, kann aber nicht mehr schlucken. Der Tee rinnt ihr über die Wange. Ich suche nach der grünen Thermosflasche. Sie ist weg. Jemand hat sie versehentlich mitgenommen.

Auf der Strasse in der Nacht. Drei Jungen laufen hinter mir her. Gehe ich langsam, gehen sie langsam, fange ich an zu laufen, laufen auch sie. Ich drehe mich um und erkläre ihnen, dass ich alt sei, so alt wie ihre Eltern und dass mich von ihnen bedroht fühlen würde. Alte Leute wie ich sterben an einem Herzinfarkt (die Jungen erinnern mich an den Film Futura von Rohrwacher).

 


Ein Morgen voller Familien-Gespenster (abends das Blutbuech), C schreibt an einem Mail für ihren Bruder – ein I Ging-Kosmos, es geht darum sich zu bewähren.

 

 

 

 

079 Log 230216

15.2.
9:30-12
Mail C., Mail M. (2h)

gefolgt von: Kunst (zu)unzählige Ideen
dass die Umsetzung offenbleibt
kein Unbehangen bez. „Diskurs“
C will nichts und die Kunst soll nichts
ach ja, ist dem so?
C hat keine Botschaft
nicht auf Ewigkeit ausgerichtet
ach ja, ist dem so?

D: steht das nicht im Widerspruch, dass die Bilder (Tusche) nicht verbleichen dürfen?
= heftige Diskussionen
will und will sich nicht erledigt
Haltungen
Lebensh, Welth
der Ewigkeit abschwören
abschwören, dass etwas bleibt
ist dem so?
(M-Verewigungswahn)

D: radikale Akzeptanz
Dankbarkeit
als junge Frau: Kunst, die sie noch nie gemacht worden ist
zählt das immer noch, geistert das immer noch umher?
man ist nie fertig
von Agnes Martin lernen
sich abwenden
die Welt im Rücken einerseits
es folgt eine weitere, eine doppelte Abwendung
ein doppelter Schatten, tiefer in den Schatten hineingehen, Schatten des Schattens

Freude am Garten
obwohl sie nie keinen je hatte
andere Sichten

erzählt von MWeihnachtsvideo
D: sich nicht länger mit Handy(Apple)-Events auseinandersetzen
Schluss!

Mail v
D: alle Flüge aufzuzählen (Kauai, South Carolina, NY, Denver)
Fehlt nicht der Schritt ins OFF, mehr als eine Liste verschicken?
zu erzählen, was wie es einem geht
die Aufzählung verkümmert zur Bewegungsmeldung
wie geht es S, wie geht es M?
statt der Berichterstattung mit Apple-Produkten

Logbuch ohne Titel sind Tagebuchnotizen, die der Vollständigkeit halber aufgeschaltet, aber nicht zugänglich sind → muss von Bobby so eingerichtet werden.

 

 

 

 

 

078 Logbuch 230213
Mara Mills: künstliche Kehlköpfe

Mara Mills: „Medien und Prothesen. Über den künstlichen Kehlkopf und den Vocoder“, in: Hrsg. Daniel Gethmann: Klangmaschinen zwischen Experiment und Medientechnik, Bielefeld: transcript Verlag, 2010, S.127–152.


Stimmcodierung
Pedro the Voder spricht 1939  (Mills 2010:127)
AT&T Technologie überträgt ein rein synthetisches Sprachsignal
Die Sätze wurden aus einer Kombination von Lauten gebildet
Der Voder sieht aus wie eine Heimorgel und wird von einer Voderette gespielt (Mills 2010:128/29)

Voder
Considered the first electrical speech synthesizer, VODER (Voice Operation DEmonstratoR) was developed by Homer Dudley at Bell Labs and demonstrated at both the 1939 New York World’s Fair and the 1939 Golden Gate International Exposition. Difficult to use and difficult to operate, VODER nonetheless paved the way for future machine-generated speech.
Voderette
namenlos, «hörender» Blick, später sieht ihr die Kamera über die Schulter, die Voderette ohne Gesicht, nur die Hände sind noch zu sehen.

Der Voder als beispielhafte posthumane Technologie
Kay Dickinson„`Believe`?: vocoder, digitalized female indentity and camp“ in: Popoular Music 20, 3 (2001), (Mills 2010:129 und 333-347).

Vocoder
Sonja Diesterhöft: Meyer-Eppeler und der Vocoder, TU Berlin
WS 2003/04, Seminar Klanganalyse und -synthese.

Der Vocoder (VOicCoder) 1927 (Mills 2010:131)
Von Homer Dudley für die transatlantische Transmission von Signalen entwickelt

  • Geschichte der Sprechmaschinen und der künstlichen Kehlköpfe
  • Gesprochene Sprache hat eine eigene Materialität jenseits des Alphabets
  • Der Sprechakt gliedert sich in die Vorgänge im Kehlkopf und im Ansatzrohr
  • Bewegung der Sprechwerkzeuge = Modulationseffekte (Mills 2010:32)
  • Verfahren zur Simulation von laryngalen Schwingungen mittels elektronischer Schaltungen

Marshall McLuhan

  • Medien erweitern oder simulieren das menschliche Wesen
  • Prothetik oder Selbstamputation

Begriff der Prothese ist problematisch → Disability Studies (Mills 2010:133/50)

  • Denn es handelt sich nicht immer um eine „helfende“ Technik
  • Der wohltätige Ursprungsmythos ist problematisch
  • Schwer zu entscheiden, ob daraus Verletzungen oder eine Befreiung resultieren (Mills 2010:134)
  • Beachte die Etymologie der Wortes Prothese (S150)

John Durham Peters spricht von Medien als von psychotechnischen Praktiken, als angewandte Physiologie (→ „Helmholz und Edison. Zur Endlichkeit der Stimme“ in: Rauschen und Offenbarung)

 

Sprachmodelle und Modulation

  • die Übertragung von elektrischer Energie reicht nicht aus, um Kommunikation sicher zu stellen.
  • Signalverarbeitung wird eine eigene Disziplin (Mills 2010:135/40)

Hist. Kempelen u.a.

  • Bedeutung des Ansatzrohrs (Mills 2010:137)
  • Geschichte der Gehörlosenschulen: Abbé Charles-Michel de l’Épee de Paris
  • Auch Kratzenstein geht anscheinend von Wissen über Gehörlosigkeit aus! (1779) (Mills 2010:138)
  • Charles Wheatsstone 1837 ( Formanten)
  • Helmholtz Stimmgabeln

 

Analogien elektronischer Instr. und Stimmorgane
Der Vocoder ist 1935 funktionstüchtig (Mills 2010:140)
→ Telephonstimme aus 10 Frequenzbändern
Alle wichtigsten Elemente des Vokalsystems besitzen elektronische Entsprechungen
Problematisch bleibt die Tonhöhe, die „Natürlichkeit“ der Stimme (Mills 2010:141)

Geschichte der künstlichen Kehlköpfe

  • Unabhängigkeit des Kehlkopfs von den Artikulatoren
  • Beginnt 1925 in den AT&T Labs
  • Im 19.Jh wird für die Stimmsynthese Rohrblätter aus Elfenbein, Horn, Silber und Bambus verwendet, das führt zu einem schrillen, piepsigen Klang (Mills 2010:142)
  • Modell von Mackenty, Riesz, Flecher, Lane, Wegel: Western-Electric 1-A, um 1929 und weitere Entwicklungen (Mills 2010:143-47)

Stimme / Metapher der Stummheit / Monotonie
Der Begriff der Stummheit (Mills 2010:148)
„Stumm war zu dieser Zeit ein umfassender Begriff, der sowohl auf Automaten wie auch auf Stummheit und „Dummheit“ der Menschen zu beziehen war. Wie im Falle des Begriffs „Speiseaufzug“ (engl. dumb-waiter) wurde das Wort auch „auf mechanische Vorrichtungen angewendet, die den Platz eines menschlichen Akteurs einnehmen.“
1944 war die Monotonie der mechanischen Stimmen das nachhaltigste Problem

Ingenieure und Historiker der Kryptologie sprechen vom Vocoder als der ersten Anwendung der Pulse-Code-Modulation (PCM) (Mills 2010:149)
Der Vocoder enthält das Kernprinzip der Digitalisierung: die Übertragung von Parametern

  • Folge von Analogiebildungen der menschl. Stimme: erst sind es mechanische Modelle, gefolgt von elektronischen Oszillatoren und Filter, gefolgt von digitalen Codes
  • Die Materialisierung verläuft über die Trennung von Kehlkopf und Modulatoren, die Übertragung von Sprache auf Holz und Gummi zur digitalen „Beschreibung,“ um mit minimalsten Anforderungen gesprochene Sprache hervorzubringen (Mills 2010:150)

Die Vorstellung von „Körper“ wird in das digitale Signal eingebaut und produziert darum körperliche Effekte

Vgl. Kommentar von Dufrêne zu Chopin
Chopin zielt nicht auf die “körperlichen Effekte” (Übertragung) von Stimmaufanhmen im Gegensatz zu Dufrêne

 

Lieux de Recherche Paris 15.10 – 29.12.2022

 

003 Lieu de Recherche 221029/30
Acousma Festival, maison de la radio, studio 104

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007 Lieu de Recherche 221107
Studio Véronique Alain, actrice

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011 Lieu de Recherche 221117
IRCAM Médiathèque

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015 Lieu de Recherche 221123_25
Magazin/Galerie Souffle continue

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020 Lieu de Recherche 221128
Galerie Enseigne des Oudin

.

024 Lieu de Recherche 221203 verlinken
Rue Beaurepaire

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026 Lieu de Recherche 221206
Université Paris 8

.

030 Lieu de Recherche 221214
Archives écrites

.

032 Lieu de Recherche 221212
Archive_BnF

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038 Lieu de Recherche 221220
Studio_audiostudio as an music instrument_GRM

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Lieu de Recherche
Mediathèque IRCAM

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Lieu de Recherche
Simone Rist

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Lieux de Recherche Paris 15.5.–3.6.2023

077 Log 230213 Paris
Übersicht über Dokumente_Fazit

Aufenthalt in Paris November-Dezember
Interviews Dezember 2022

Archiv Recherche

  • Mediathek IRCAM
  • Bibliothek Centre Pompidou
  • Archiv der Galerie Oudin
  • Bibliothèque national de France (BnF)
  • Archive écrites de la Radio France
  • Ina Mediathek

Recherche ultra-lettristischer Aufführungsorte

  • Salle Sociétés des Savantes
  • Rose-Rouge I&II
  • Relais de l’Odeon,
  • Tabou
  • Théâtre de France Odéon
  • Théâtre du Vieux Colombier
  • Chez Moineau


Stadtplan mit Archiv-Dispositiv
Logbuch:

    • 01– 63 (Nov-Dez 2022)
    • 71– 76 (Jan 2023)

  


Schreiben mit Stimmen

Stimmen bilden keine eigene Kat. der objects sonores
GRM ist das Studio der Studios in Europa. Wer etwas auf sich hielt als Komponist, sei vorbegekommen. In der Nachfolge entstanden Studios in Köln, London, Mailand, so Debade
→ weiterführende Einträge 040-041 Log 221220 (siehe oben)

In den Studios der GRM wird mit objects sonores gearbeitet
Die Stimme ist ein object sonore unter objects sonores.
GRM
-Stimm-Werke?
Stimme ist keine eigene Kat. der musique concrète, “mais non!“ Tonbandaufzeichnungen (Mikrophon) ohne Umwege über eine Partitur – Band läuft! – ein lautpoetischer Ansatz (Chopin, Dufrêne und Wolman). Lautpoeten interessieren sich auch für die Stimme, für ihre Physiologie.
Zu fragen, was in diesem Zusammenhang der Umgang mit der Stimme auszeichne, ein Missverständnis – NICHTS! – die Stimme ist ein object sonore unter objects sonores. Die Frage unangebracht. Entscheidend für die musique concrète ist im Gegenteil, die Quellen nicht mitzuhören/mitzudenken, das Stimmmaterial nicht als solches zu verorten. Das woher und wie, soll von der akustischen Gestalt der objects sonores ablenken. Gestalt hören. Die «Morphologie der Klänge» dem von Schaeffer entwickelten Formenkatalog zuordnen zu können, setzt eine Hörschulung voraus. Schaeffer spricht von Solfège. Das kingt manchmal nach Hör-Umerziehung, dogmatisch. Meine Fragen nach der Stimme provoziert  – es wird mir eine Lektion zuteil, weil ich von Geräusch-hören keine Ahnung hätte.
Die GRM-Kompositions-Verfahren in den Anfängen : cut, pitch, loop und reverse. Ziel, aus den Aufnahmen abstrakte akustische Ereignisse zu formen. Die Einschwingvorgänge (attaque) wegzuschneiden verunkenntlicht die Aufnahmen, interessant, erstaunlich! Für die Komposition der Musiue concrète einen theoretischen Überbau entwickeln, die den Vergleich mit allen anderen Musiktheorien der Zeit (Serialismus) nicht scheuen muss. Soll mit den objets sonores ähnlich verfahren werden können, so müssen sich diese in ein Kontinuum einbinden lassen.

Das Potential der Tonbands differenzierte Informationen zur Quelle mit aufzuzeichnen und nicht bloss abstrakte Tonereignisse –jeder nasse Zungenschlag wird mitgehört, gerade das ein Verweis auf die Authentizität der Aufnahme – dieses Potential ist für die musique concète von keinerlei Bedeutung. Ferreyra spricht zwar von der akustischen Reichhaltigkeit der Aufnahme mit dem Mikrophon im Gegensatz zu elektronisch generierten Klängen, aber lehnt aber ein assoziatives Hören ab im Sinn eines Hören-Verstehen eines Klangs und woher er kommt. Die Quelle wird im Zusammenhang der musique concrète zurückgedrängt – das «Alles-Hören» soll keine Rolle spielen. Die Klangereignisse werden durch die Aufnahmen und durch die Bearbeitung dem Kontext entrissen und entfremdet zu abstrakten Hör-Objekten gemacht. Dokumentarische Aspekte werden wenn möglichst verkenntlicht, als würden diese beim Komponieren stören(?). Ausser-musikalischen Informationen werden in der musique concrète an den Rand gedrängt, was immer auf Körper verweist (Inbegriff des Schreibens mit Stimmen) wird ausgeblendet. Die REIN akustischen Ereignisse werden über ein Lautsprecherorchester wiedergegeben. Qualitäten des abstrakten Hörens nach Schaeffer sind Dichte, Gewicht etc.
Ausgerechnet über ein Kompositionsverfahren, das erlaubt die unterschiedlichste Rezeptionsformen (Kognitionsformen? / Wissensformationen?) zu verbinden (hören, lauschen, abhören, anhören, peilen, fokussieren, orientieren, verorten) wird eine abstrakte, auf Klangfarbentheorien begründete Kompositionstheorie übergestülpt.
Trotzdem werden gewisse Spuren der Aufnahmesituation (der Aufnahmequellen und -verfahren) werden insbesondere von Ferreyra sehr geschätzt. An Missmut grenzend, mit einem Ausdruck des kompletten Unverständnisses kommentiert Ferreyra die musique electronique, sei sei als flach: die Klänge mager, Sounds, die sich in keinster Weise mit den objets sonores verbinden liessen, mit der (körperlichen, vollen?) musique concrète.

 


Once/Mills
Der Einfluss von Recording als Kompositionsverfahren wird von Ramòn Sender mit Schönbergs 12-Ton-Theorie verglichen, niemand kommt mehr daran vorbei. Während die GRM für die Arbeit mit dem Tonband ein kompositorisches Korsett schafft, das dieser ebenbürdig sein will, suchen Ramon Sender, Morton Subotnick und Pauline Oliveros den Neuanfang. Statt von Avant-Garde ist von Subkultur, sprich von Counter-Culture die Rede, siehe David Bernstein in CCM Archive and History.

164 Log 231007_16 Interview_Ramón Sender and Judy Levy–Sender
070 Log 221128 David Bernstein_History of Mills College
___Interview 231006 David Bernstein

unterschiedl. Rollen der Institutionen:
GRM ←→ Radio France
San Francisco Tape Music Center ←→ Mills College.

 


Fazit I
Musique concrète versus Ultra-Lettrismus versusmusique concrète vocal
Als Kompositionsverfahren zielt die musique conrète auf einen abstrakten Klangraum. Die Körperlichkeit der Recordings ist entscheidend und wird hochgehalten gegenüber den flachen, maschinengenerierten elektronischen Klängen. Hingegen nicht geschätzt wird das Eindringen aussermusikalischer Referenzen. Körperliche, volle Klänge ja, assiziatives Hören nein.
Die Ultra-Lettristen benutzten keine eigenen Studios. Mit ihren Aufzeichnungen generieren sie offene, ambivalente Bezugsfelder zwischen Sprache, Stimmphysiologie und Körper. Die Bearbeitung der Aufnahmen ist transparent, nachvollziehbar. Der Prozess grenzt an dokumentarische Verfahren.
Die musique concrète vocal eines Henri Chopin interessiert sich nicht für die Bezugsysteme des Körpers und überschreibt dessen Spuren durch zahlreiche Overdubs.

Fazit II
Schreiben mit Stimme wird mehr und mehr zu einer Recherche bezüglich des Magnétophons als kompositorisches Werkzeug. Das Tonband ermöglicht Stimme, Sprache, Körpergeräusche aufzuzeichnen, es registriert sämtliche akustische Informationen des Körpers, es drängen sich Fragen bezüglich Ein- oder Ausschlüsse aussermusikalischer Bezugsysteme in der Musik der 50er und 60er Jahre auf.

 

038 Lieu de Recherche 221220
Studio_GRM
Paris, 12.20.2022

036 Log 221218

Sternstunde Philosophie mit Kim de l’Horizon
mit C, gestern ohne gemeinsamen Filmabend
heute nachlegen für unsere Morgensession
seit Monaten! in CH und Gekritzle auf den Tischplatten

5:53
wenn etwas in die öffentliche Sphäre = politische Sphäre dringt
→ ist man gezwungen, sich dazu verhalten
„der Körper chänellet“

13’
Monique Wittig, Philosophin und feministische Theoretikerin
Foucault —> Regime der Sprache

22:20
weg vom Essentialismus in eine körperliche, materielle Welt
Praxis, Rituale
neue Sinnlichkeit
Gegenzauber

35:20
Haraway, Rosi Braidotti, Karen Barad
Neuer Materialismus
Material ist aktiv, hat agency
Christliche Kultur trennt zwischen Geist und Körper
aber es gibt nur Körper
Geist ist Teil der Materie
Energie kann nicht vernichtet werden, sondern nur transformiert

42:20 / 43:50
Eva von Redecker (*1982)
Besitzt ist das Recht zu zerstören
https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_von_Redecker

44:40
US feministische Philosophie und Ritualpraxis Starhawk (*1951)

54:30 / 56:00
Silvia Federici
die Hexen und die Wilden → als die Ausgeschlossenen
die Allmende waren sehr wichtig
mit Hecken ausgrenzen
→ aushecken

12.-14 Januar Philosophie Festival in Zürich
die öffentliche Sphäre als politische Sphäre
Lesefutter und die Keramikfiguren!
engl. Gesinge und brüchig
(lieber Chris, endlich kapier ich’s)
C: denkt Latour