012 Log 221118 Oliveros_das Potential der Kommunikation
Hans Ulrich Obrist: Brève histoire des musiques actuelles, Djion, Les presses du réel, JRP Edition, 2014, S. 190–
Hans Ulrich Obrist (HUO): «Post-Studio Praxis» war seit den 1970er ein grosses Thema. Jetzt wird das Studio von jungen Künsty wiederentdeckt, aber es ist seither besser verbunden, das Studio wird zum Netzwerk, nicht nur ein physischer Raum, wie war das für Sie?
Pauline Oliveros (PO): das Studio war wichtig in den 1960 Jahren
- Lehrjahre im Studio
- Musik praktizieren
- das klassisch elektronische Studio «gespielt», bis heute
- Das nennt sich Expanded Instrument System (EIS), das EIS lässt sich auf alle Instrumente anwenden
- Zwischen 1960-70 musst man um ein delay zu erzeugen Magnetophone herumschleppen
- Das Spulentonband wurde später durch das Lexicon PCM42 ersetzt
HUO: das EIS hat sie berühmt gemacht – wie haben sie dieses erfunden?
PO: Ramon Sender hat in einem Konzert eine lange Schlaufe un boucle à retard laufen gelassen
HUO: bezüglich des San Francisco Tape Music Center: Erfindungen haben immer einen best. Kontext: Bruce Connor, Lawrence Halprin, Anna Halprin, Simone Forti, waren die Vorläufer. Es sollen sich wunderbare Dinge zugetragen haben damals….
PO: ja, es war phantastisch!
- eine Gemeinschaft von Künsty, Zusammenarbeit, Solidarität, neue Praktiken
- siehe: Bernstein, David W.: The San Francisco Tape Music Center: 1960s Counterculture and the Avant-Garde. Berkeley, Calif: University of California Press, 2008.
HUO: waren ihnen die europäischen Experimente mit Tonband bekannt?
PO: das war bekannt aus dem Radio, man hörte gew. Sendungen / Köln war bekannt.
- Aber eigentlich eine lokale Geschichte
- Was immer aufgetaucht ist, wir haben es in die Hand genommen
HUO: Kollaborationen, zB mit Badessari
PO: Tony Martin, Elizabeth Harris (Choreographin und Bildhauerin), mit David Tudor; ein Stück aufgefürht auf einem balançoire / Verräumlichungen war wichtig
HUO: ein Gesamtkunstwerk
HUO: was ist mit Fluxus, George Brecht?
PO: das war später, ich habe Alison Knowles und Dick Higgins in den 1970 kennengelernt
HUO: …la néo-avant-garde (vgl. Hal Foster: What’s Neo about the Neo-Avant-Garde? (1) waren sie auch Teil einer Bewegung wie dieser?
PO: nein, obwohl sie sich für Fluxus interessierte, aber sie wurde von Dick Higgins gerügt, weil sie ein Pastiche aus all ihren Stücken vorgetragen hat, so gehe das nicht….
HUO: alle diese «isme», was käme für PO in Frage, wenn es denn sein müsste = appartenance?
PO: ….liberté
HUO: was halten sie vom Minimalismus?
PO: ein Ärgernis, aber trotzdem, Riley, Reich, Adams sind Minimalisten, aber Riley zu etikettieren – wie dumm!
HUO: was ist mit dem Label elektronische Musik?
PO: … zu générique (allgemein), alles ist heute elektronische Musik
In den 1960 Jahren meinte das etwas Spezifisches, auch etwas anderes als Konkrete Musik oder akustische Musik…
HUO: zu Quantum Improvisation (1991) der Text handelt zentral von cybernétique eines Cedric Price.
Ist ihre Musik cybernetisch und ist inspiriert von dieser Bewegung
PO: ich bin Utilitaristin
- Technik verwende ich so sie mir zur Verfügung steht, vielleicht kann ich sie détourner
- Innovation interessiert mich
HUO: Flusser hat mir gesagt, dass das détournement der Technik die grösste Herausforderung sei
«…le plus grand défi est d’effectuer un détournement de la technologie»
PO: dem kann sie ganz und gar zustimmen (Obrist 2014:198)
Man entdeckt den eigentlichen inhärenten Charakter der Technologie und arbeitet damit
HUO: zum Beispiel?
PO: das Delay der Bandmaschine
HUO: das Gespräch wird aufgezeichnet… sie sprechen vom Wunsch eine Aufnahme zu machen, Reproduktionen zu haben, zu konservieren – könnten sie diesen Gedanken weiter ausführen?
PO: …..die Vergänglichkeit, impermanence, nichts kann für immer erhalten bleiben, es gibt Archive für eine gewisse Zeit
HUO: wie ist das bei Ihnen?
PO: …meine Archive sind in versch. Institutionen: New York Public Library, University of California, Mills College, Houston Public Library und bei mir zu Hause…
HUO: wenn Sie an die numerischen Archive (digitale?) von heutzutage denken, möchten Sie, dass das eine Kontinuität findet oder plädieren Sie für die Vergänglichkeit?
PO ich brauche einen Archivar… ich kann das nicht selbst machen
HUO: hat das Internet die Art zu arbeiten verändert? (Oliveros gibt Konzerte im «Second Life»)
PO:… progressif, zuerst kam das Mail (ihr Konto eröffnete sie 1986)
HUO: früh
PO ja ich gehörte auch da zur Avantgarde – sie liebt das grosse Potential der Kommunikation, Bsp ist die Deep Listening Band mit Stuart Dempster (Seattle) und David Gamper… Heute arbeitet sie mit versch. Ensembles an versch. Orten gleichzeitig. Das Internet ist ein neuer Ort, ein neuer Raum, eine neue Art zusammenzuarbeiten. Jetzt geht es sogar in Richtung virtueller Raum
HUO: Sie haben oft davon gesprochen, dass sie Räume erkundschaften mit der Musik wie heute Abend in der Serpentine Gallery im Rahmen der Ausstellung von Olafur Eliasson und Kjetil Thorsen, auf was freuen Sie sich am meisten?
PO: spricht von den versch. Hallzeiten der Räume.. (Obrist 2014:201)
HUO: …in jedem Raum ein anderes Stück…
PO …jeder Ton ist in jedem Raum anders
HUO: ….wann wurde Deep Listening erfunden? Erinnern Sie sich an den Tag?
PO: Verbindet das mit ihrem ersten Magnettonband 1953. Damals wurden sie erschwinglich. Sie hat ihre Umgebung vor dem Fenster aufgenommen und erkannt, dass sie Dinge aufgenommen hat, die ihr während der Aufnahme nicht aufgefallen waren… Seither versucht sie «alles» zu hören, eine Art Meditation. Der Begriff Deep Listening geht auf eine CD Produktion aus dem Jahr 1988 zurück.
HUO: …ihre Musik trägt keinen…..ismus, und doch kann gibt es eine gewisse Art
PO: es ist eine Art zu hören, Deep Listening Retraits seit 1991
HUO: Duchamps sagt der Zuschauer mache 50% der Arbeit (Obrist 2014:202)
PO: es ist noch mehr.. denn es entsteht eine Koordination der Zuhörenden (Gehirnwellen), ein sehr harmonisches Feld..
HUO: Cage hat dank ihnen entdeckt, dass Musik zu machen Freude machen kann
PO: noch einmal «…l’harmonie es tune question d’écoute et de perception de relations. Percevoir les relations à travers l’écoute, voilà comment je conçois l’harmonie.»
HUO: …im Radio American Mavericks sagte sie, «je suis intéressée par la physicalité de la creation musicale»
PO: …interessiert ganz zentral für die Natur der Töne und wie sie verändert werden können. Es ist eine körperliche Sensation beim Spiel die sich auf das Publikum überträgt
HUO: 4:33 welche Rolle spielt die Stille in ihrem Werk
PO: es gibt keine Stille (das wäre das Ende der Welt), Stille ist relativ